Systemische Therapie

Die systemische Therapie wurde 2008 vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie als wissenschaftlich anerkanntes Verfahren bestätigt und ist seit 2019 als Richtlinienverfahren Teil der gesetzlichen Krankenversorgung. Ihre Wurzeln liegen in der Familientherapie, heute findet sie Anwendung in der Arbeit mit Einzelnen, Paaren, Familien und Gruppen.

Doch genau genommen gibt es nicht „die“ systemische Therapie – sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Denkmodelle und methodischer Zugänge. Gemeinsame Grundlage ist ein bestimmtes Verständnis von Komplexität, das sich aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen speist. Zentral sind etwa die Theorie autopoietischer Systeme, der radikale Konstruktivismus, die Kybernetik 2. OrdnungLuhmanns Systemtheorie oder die Laws of Form.

Diese Denkansätze verändern den Blick auf Probleme grundlegend:

Psychische oder psychosomatische Symptome werden nicht als „Störung“ im klassischen Sinn verstanden, sondern als Ausdruck einer Passungsproblematik zwischen Mensch und Kontext – als intelligente, aber im Ergebnis oft leidvolle Selbstorganisationsprozesse mit einer eigenen inneren Logik.

Systemische Therapeut*innen verstehen sich nicht als „Wahrheitsexperten“, die Diagnosen verkünden oder Lösungen „verordnen“. Vielmehr interessieren sie sich für die Wirklichkeitskonstruktionen, Überzeugungen und Geschichten, mit denen Menschen ihr Erleben organisieren – inklusive der dazugehörigen Probleme und Lösungsversuche.

Im Zentrum der therapeutischen Zusammenarbeit steht ein respektvoller, neugieriger Dialog, in dem alte Vorannahmen irritiert, neue Perspektiven entdeckt und nützlichere Interpretationen entwickelt werden können – nach innen wie nach außen. Dazu gehört nicht nur die Würdigung leidvoller Erfahrungen, sondern vor allem auch das (Wieder-)Entdecken von Fähigkeiten, Ressourcen und Kompetenzen.

Systemisches Denken richtet den Blick nicht nur nach innen, sondern auch auf das, was sich zwischen Menschen abspielt. Welche Bedeutung hat ein Symptom im sozialen Kontext? Welche Rückwirkungen erzeugen Veränderungen im Beziehungssystem – im privaten, beruflichen oder innerpsychischen Umfeld? Und welche Dynamiken sorgen dafür, dass bestimmte Muster aufrechterhalten werden, selbst wenn sie leidvoll sind? Diese Fragen sind keine Theorie-Spielereien, sondern konkrete Schlüssel zur Veränderung. Denn wer beginnt, sein inneres Erleben im Wechselspiel mit äußeren Interaktionsmustern zu begreifen, erschließt oft neue Möglichkeiten: nicht nur im Denken – sondern auch im Handeln.


Systemische Therapie und Hypnotherapie nach Milton H. Erickson basieren auf einem gemeinsamen Grundverständnis: Beide sehen Veränderung nicht als Folge von Instruktion, sondern als Ergebnis von Selbstorganisationsprozessen in einem förderlichen Kontext.

In modernen hypnotherapeutischen und hypnosystemischen Konzepten – etwa nach Manfred Prior oder Gunther Schmidt – werden diese Prinzipien konkret miteinander verbunden. Die Aufmerksamkeit richtet sich dabei nicht nur auf kognitive Inhalte, sondern auch auf unwillkürliche Prozesse: Körperempfindungen, innere Bilder, emotionale Reaktionen oder kaum bemerkte Impulse, die außerhalb der bewussten Steuerung ablaufen.

Statt formaler Tranceinduktionen steht die Fokussierung im Vordergrund – verstanden als natürlicher Prozess, der sich im Gespräch selbst entwickeln kann. Trance entsteht hier durch Konzentration, Resonanz und eine therapeutische Haltung, die es erlaubt, sich ungestört relevanten inneren Erfahrungen zuzuwenden.

Diese Vorgehensweise ergänzt systemisches Arbeiten auf konstruktive Weise. Sie ermöglicht einen erweiterten Zugang zum inneren Erleben, ohne den dialogischen Prozess zu unterbrechen.

Ob in der Arbeit mit innerem Erleben, familiären Dynamiken oder Körpersignalen: Ziel ist es, hilfreiche Muster zu stärken, einschränkende zu flexibilisieren und neue Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit sich selbst und anderen erfahrbar zu machen.